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Gut: weniger vom Gleichen. Besser: mehr vom Verschiedenen.

In einem Interview nannte Johannes Gutmann, der Gründer von Sonnentor, einem sehr erfolgreichen österreichischem Unternehmen für Bio-Kräuter/-Tees/-Gewürze, einen Gedanken, der ihn auf dem Weg zum Unternehmertum begleitet hat: Die Bauern sollten weniger vom Gleichen schaffen, weil es davon schon genug gab - und: aus Wertschöpfung solle Wertschätzung hervorgehen. 

 

In manchen Momenten habe ich das Gefühl, in Schulen passiert manchmal genau das Gegenteil: Wie Jacken an einer Garderobe geben so manche Schüler*innen beim Betreten des Klassenraumes ihre Persönlichkeit, ihre Verschiedenheit, ihr Eigenes ab. Das System Schule schafft manchmal mehr vom Gleichen.

 

Wenn da nicht geniale Pädagog*innen wären ... 

 

Ja - es gibt individuelle Lernformen, es gibt offene Unterrichtssettings, es gibt innovative Konzepte, es gibt alternative Schulformen. Es gibt geniale Unterrichtsentwickler*innen mit wunderbaren, inspirierenden Ansätzen, Unterricht weiterzuentwickeln, Vielfalt zuzulassen, Bewertungsnormen anders zu denken. Ich durfte ein paar davon kennenlernen, ich habe viele Ideen ausprobiert, es war und ist eine Freude!

 

Aber ... 

 

Letztlich müssen alle Schüler*innen durch die Prüfungen kommen, müssen alle die Prüfungsformate und -inhalte kennen und können, ob sie wollen oder nicht. Am Ende des Tages (oder einer Einheit) müssen alle Schüler*innen ziemlich ähnliche Inhalte zum für sie vorgesehenen Zeitpunkt (Stichwort: Bildungsplan) gelernt bzw. gewusst haben, egal ob das Interesse dafür da ist oder nicht.

 

Und müssen nicht viele Lehrkräfte mit unfassbar großem Aufwand die Mängel dieses Systems ausgleichen, indem sie Unmengen an Energie und Zeit in ihre Vorbereitung investieren, um einen irgendwie motivierenden Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schüler*innen herzustellen? Kostet es viele Lehrkräfte nicht sehr, ja: zu viel Energie, um der fehlenden Anstrengungsbereitschaft der Lernenden mit gutem Unterricht beizukommen? 

 

Wie man so schön sagt, kann Freiheit nur als solche empfunden werden, wenn sie eingegrenzt wird. Stimmt sicher und auch mir kommt dann doch auch die Frage: Wohin kämen wir, wenn wir diese Strukturen auflösten? Wenn es keine Prüfungen mehr gäbe, keinen Plan, keine Schulpflicht. Und: Wer könnte das? Und: Wollen wir das? Destruktion, Zerstörung, Auflösung, Chaos - auf den Schultern der Kinder? 

 

Also was jetzt? Geht das auch konstruktiver? 

 

Vielleicht geht es darum, erst Nischen, dann Vorzimmer, dann Räume, dann Hallen und dann kleine Welten in bzw. angedockt an Schulen zu schaffen,

 

... in denen es möglich ist, nicht gleich zu sein,

... die keinen Plan vorgeben,

... an deren Ausgangstüre keine Liste steht, die es abzuhaken gilt,

... weil sie dadurch, dass es sie gibt und dass sie mit Leben gefüllt sind, schon ihre Berechtigung im Bildungsprozess haben. 

 

Weniger philosophisch gesprochen: Schüler*innen sollten während ihrer Schulzeit Zeit haben, sich selbst zu bilden und sich dabei keinen Plänen zu unterwerfen. Menschen können auch von Menschen ohne pädagogische Ausbildung ganz ! schön ! viel ! lernen!

Wichtig ist, dass alle Beteiligten darauf vertrauen können, dass den jungen Menschen während dieser Zeit das begegnen wird, was für sie von Bedeutung ist und Sinn hat.

 

So oder so und egal, wie es läuft: Überlegen macht überlegen

 

Wie auch immer die Erfahrungen sind, die die Jugendlichen in einem solchen Raum machen: Vielleicht wäre es ihr Nachdenken und Reflektieren - das während und nach dieser Zeit unbedingt (begleitet) stattfinden sollte - schon wert?! Vielleicht beinhalteten die Erkenntnisse, die sie daraus zögen, schon Bildungsgehalt genug?

 

 

Bild: Arie Wubben (unsplash)

 

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© Clara Baumgartner