Lernen durch Engagement oder: Wie man für mehr Sinn in der Schule das Rad nicht neu erfinden muss

Manchmal ist es ja so, dass man eine gute Idee hat und denkt, dass man sie unbedingt und am besten sofort umsetzen sollte, weil es sich so gut und so neu anfühlt und weil es das bestimmt noch nicht gibt und überhaupt… - Bis man dann merkt, dass andere längst die gleiche Idee hatten. Und dann fühlt man sich vielleicht kurz ernüchtert.

 

Doch das Gegenteil sollte der Fall sein! Es heißt, dass die Idee so gut ist, dass sie schon umgesetzt wurde und es heißt, dass man es sogar leichter hat, weil dadurch alles schneller geht, weil andere schon Erfahrungen gemacht haben, von denen man profitieren kann - kurz: Weil du das Rad eben nicht neu erfinden musst.

 

Genau so ging es mir mit LdE, Lernen durch Engagement. Mir war natürlich klar, dass es überall Schulen gibt, an denen Schüler*innen mit ihren Lehrkräften soziale, ökologische, kulturelle (...) Projekte für die Gesellschaft durchführen und so die Unterrichtszeit nach draußen verlagern, einen Mehrwert schaffen, Verantwortung übernehmen, Freude am Tun haben usw. Aber dass das Netzwerk, das sich hinter diesen Projekten verbirgt, so riesig, so professionell und so gut organisiert ist, hat mich trotzdem positiv überrascht.

 

Was ist LdE?

 

Im Praxisbuch von Anne Seifert, Sandra Zentner und Franziska Nagy wird LdE als “eine Lehr- und Lernform, die gesellschaftliches Engagement von Schüler*innen mit fachlichem Lernen verbindet”, beschrieben.

 

Das heißt: Schüler*innen setzen ein gemeinnütziges Projekt für ihren Stadtteil, die Gemeinde, eine (soziale, ökologische, ...) Einrichtung um. Dies passiert während der Unterrichtszeit und wird auch im Rahmen der Schulzeit vorbereitet, geplant und - ganz wichtig - stets reflektiert. Lehrkräfte nehmen dabei die Rolle von Begleiter*innen ein und stellen Bezüge zu den Inhalten des Bildungsplans her. Alle können teilnehmen, alle werden gebraucht und Differenzierung ergibt sich quasi von selbst. Lernen, Tun und Schule - all das verbindet sich und wird sinnvoll, zielgerichtet, lebensnah.

 

Übrigens: Aus dem Englischen kommt der Begriff “Service Learning”, weshalb häufig beide Begriffe synonym zu finden sind.

 

 

Was bringt LdE?

  • Gerechtere Bildungschancen, Persönlichkeitsentwicklung
    LdE ermöglicht es Schüler*innen, (im Kleinen) rauszugehen - und zwar im Rahmen ihrer Schul- und Unterrichtszeit. Es ermöglicht denjenigen, die sich mit Schule schwertun, einen positiv(er)en Blick auf die Schule zu bekommen und auf andere Art zu lernen, als dies in der Schule gewöhnlich praktiziert wird. So entdecken diese jungen Menschen ihre Stärken und fühlen sich gebraucht. Wer nie erfahren hat, wie wohltuend es ist, sich für andere zu engagieren, hat mit LdE die Chance, dies zu erleben.
  • Demokratiebildung
    LdE ermöglicht Begegnungen und Beziehungen, auch zu Menschen, mit denen man noch nie in Kontakt gekommen ist und das wiederum stärkt im besten Fall die Toleranz und Offenheit sowie das Bedürfnis, etwas für die Gesellschaft zu tun und seinen Platz zu finden.
  • Zukunftsbedeutsame Kompetenzen
    Die Probleme, denen die jungen Menschen während des Projektes begegnen, sind reell und bedürfen oftmals kreativer, flexibler Lösungen - Kompetenzen, die zwar unverzichtbar sind, sich aber schwer theoretisch vermitteln lassen. LdE schafft für Schüler*innen also einen Raum außerhalb, der die Schule zugleich entlastet und bereichert.
  • Nachhaltige Schulentwicklung
    LdE liegt ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde, der nicht nur das Lernen, sondern auch die Schule im Gesamten nachhaltig verändern soll. Die Umsetzung von gemeinnützigen Projekten mit außerschulischen Partnern ist dabei nur ein Teil, auch die Arbeit mit Lehrkräften in Weiterqualifizierungsprogrammen sowie Kooperationen mit Schulleitungen gehören dazu.

 


Was zeichnet ein gutes LdE-Projekt aus?

 

Die Autorinnen des oben erwähnten Praxisbuchs nennen sechs wissenschaftlich fundierte Qualitätsstandards, die sich in der (nationalen und internationalen) Praxis bewährt haben und an denen man sich orientieren kann.

 

Zunächst sollte der Nutzen eines LdE-Projektes für die Schüler*innen erkennbar und sinnvoll sein, wobei Lehrkräfte bei der Wahl des Projektes gleichzeitig die Vorgaben des Bildungsplans umsetzen sollten. Von fächerübergreifenden Ansätzen, als ganzjähriges Projekt oder über zeitlich begrenzte Kursstrukturen ist alles möglich - je nachdem, wie es zum Konzept und zur Organisation der Schule und zum Projekt an sich passt.

 

Eine konstante Reflexionspraxis und die Beteiligung aller Schüler*innen an allen Projektschritten sind weitere wesentliche Aspekte eines gelungenen LdE-Projektes. Dass dabei mit externen Kooperationspartnern zusammengearbeitet wird, sollte selbstverständlich sein, ebenso wie ein angemessener und wertschätzender Abschluss des Projektes.

 

 

Wie kann ich ein LdE-Projekt umsetzen?

 

Am einfachsten ist es, sich zunächst mit den freundlichen Mitarbeiter*innen der Stiftung Lernen durch Engagement in Verbindung zu setzen. Bei einer ersten Kontaktaufnahme ist vor allem Silke van Kempen behilflich. Per Post erhält man dann ein kostenloses Erstinfopaket, welches man sogleich dafür nutzen kann, mit der Klasse gemeinsam ein Projekt zu entwickeln, mit dem sich die jungen Menschen identifizieren, bei dem sie selbst einen Handlungsbedarf sehen oder für das sie interessante Ideen haben, die Gesellschaft zu verändern.

Unterstützung u.a. durch Beratung und Fortbildung bieten aber auch die deutschlandweit angesiedelten Kompetenzzentren für Lernen durch Engagement mit ausgebildeten LdE-Schulbegleiter*innen sowie einige Schulen, die LdE bereits erfolgreich umgesetzt haben. Die Kompetenzzentren sind ersichtlich auf den Seiten des bundesweiten Netzwerks LdE. Einige Schulen, die besonders gerne Einblick in ihre Praxis geben, listet das Kultusministerium Baden-Württemberg hier auf. Über eine dieser Schulen habe ich bereits hier berichtet.

 

Im Infopool auf der Seite der Stiftung stehen zudem unzählige Materialien zum Download bereit - von Arbeitsblättern über pädagogische Materialien und Leitfäden. Die Homepage selbst bietet viel Input zu umgesetzten Projekten, zu Tagungen, dem Schulpreis LdE und ein Newsletter informiert regelmäßig über Neuigkeiten zum Thema. Der gesamte Materialteil des Praxisbuchs LdE kann hier auf der Seite des Beltz-Verlags heruntergeladen werden.

 

Was jetzt noch fehlt, sind ein wenig Mut und Eigeninitiative - und beides gibt es ebenfalls kostenlos!

 

Bild: stux

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© Clara Baumgartner