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Finnland | Outdoor Learning - ein Weg mit Strategie

Eine Sache, dir mir bei meiner Recherche und in den ersten Gesprächen in Finnland sofort aufgefallen ist, ist die riesige, über eine lange Zeit gewachsene Bandbreite an Umweltbildungs- und Naturlernangeboten (Outdoor Learning), die sich wie ein Netz über das ganze Land legen.

 

Klar, Finnland ist flächen- und bevölkerungstechnisch nicht vergleichbar mit Deutschland, dazu ist die (nicht zuletzt finanzielle) Abhängigkeit vom Wald um ein Vielfaches größer, es gibt gewaltige kulturelle Unterschiede, kurzum: Vieles ist anders. Deshalb geht es hier auch nicht um einen Vergleich, sondern um eine – nicht im Ansatz vollständige – Darstellung dessen, was in Finnland vorhanden ist und Outdoor Learning in Schulen maßgeblich begünstigt bzw. ermöglicht. Es könnte uns ermutigen, uns zunächst die bereits bei uns vorhandenen Strukturen bewusst zu machen, um sie im nächsten Schritt besser zu nutzen, indem wir sie vernetzen.

 

Die folgende Grafik zeigt vereinfacht, worin diese Strategie u. a. besteht. Die politische "Rückendeckung" für Outdoor Learning ist nicht explizit enthalten, in Finnland durch die nationalen Curricula allerdings gegeben.

0. Schulplanung

Bereits bei der Schul- bzw. Stadtplanung sollte Outdoor Learning mitgedacht werden. Das heißt, dass Schulen von Naturräumen umgeben sind. Natürlich kann auch auf kleinen Parkflächen Outdoor Learning stattfinden, größere Wald- und Wiesenflächen bieten allerdings bessere Bedingungen. Um die gegebenen Bedingungen zu verbessern, können Schulen in den Dialog mit Kommunen und Städten gehen und Schüler*innen in die Stadtplanung einbezogen werden. Die Forschung weiß mittlerweile um den Vorteil von Grünflächen für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Menschen und es ist wünschenswert, dass diesen Erkenntnissen entsprechend gehandelt wird. In Finnland sind laut einer Analyse des Finnish Environment Institute (SYKE) in Stadtgebieten (!) rund um Helsinki, Turku und Tampere (Südfinnland) vor allem Grundschulen in einer Entfernung unter 300 m von einem Wald angesiedelt, bei weiterführenden Schulen sind die Distanzen größer. In den ländlichen Gebieten sieht das natürlich anders aus. Finnland hat, was das angeht, ziemlich gute Voraussetzungen.

1. Lehrkräfteausbildung

Lehrkräfteausbildung

Outdoor Learning ist im Lehramtsstudium z. B. an der University of Helsinki als verpflichtendes Modul für Lehrkräfte (der Grund- und Mittelstufe) enthalten. So wird schon in der Lehrkräfteausbildung ein Same gesetzt. Es soll dort vor allem darum gehen, Outdoor-Learning-Ideen zu geben, damit Lehrkräfte generell ermutigt werden, mit ihren Schüler*innen rauszugehen - egal in welchem Fach. Was es nämlich vor allem braucht, ist Mut. Deshalb ist das Ziel, die Hemmschwelle ganz niedrig zu setzen.

 

Weiterbildung

Dazu gibt es eine Reihe von Ausbildungsmöglichkeiten zum Outdoor Educator oder kürzere Kurse, wie den einwöchigen Out-of-the-box-Ausbildungskurs des SYKLI Environmental School of Finland, der im April 2022 stattfindet. Andere Weiterbildungseinrichtungen für Lehrkräfte (auch anderer Nationalitäten) bieten diverse Workshops, Seminare, Ausbildungskurse an, z. B. LYKE NetworkFinnish Forest Association, The adventure education network, EduGemseduKarjala etc.

 

2. Materialpools

Es gibt riesige Materialpools, aus denen sich Lehrkräfte bedienen können, z. B. mappa.fi, Finnish Forest Association, The Finnish Nature League (Luonto-Liitto) oder auch WWF.

3. Expert*innen von außen

Lehrkräfte können sich Expert*innen an die Schule einladen, die dann von dort Workshops, Seminare oder längere Programme durchführen. Das können ausgebildete Outdoor Educator von LYKE / SYKLI / Naturschulen sein oder auch Expert*innen anderer Bereiche, z. B. der Finnish Federation for Recreational Fishing#, oder der Finnish School Sport Federation oder dem Bicycling Municipalities Network.

4. Exkursionen außerhalb von Schule

Lehrkräfte können mit ihren Schüler*innen Exkursionen machen, indem sie z. B. in eine der zahlreichen Naturschulen gehen, an den Forest Days der FFA teilnehmen, in Naturmuseen gehen oder Hiking Weeks organisieren.

5. Schulprogramme

Finnische Schulen können an Schulprogrammen teilnehmen, die gefördert sind und dabei helfen, mehr Outdoor Education / Learning umzusetzen. Ein sehr bekanntes Schulprogramm, an dem über 90% der finnischen Schulen teilnehmen und das auch zu mehr Draußenaktivität geführt hat, ist z. B: Schools on the move. Dann gibt es das international verbreitete Programm der „Eco Schools“ / „Green flagg“ und zahlreiche kleinere Programme.

6. Netzwerke

Es gibt mittlerweile überall entstehende Netzwerke, denen sich Lehrkräfte anschließen können, die an Outdoor Learning-Settings interessiert sind – für Austausch, Unterstützung, Mediation, Ideengebung etc. z. B. im Netzwerk Outdoor Teachers Society (Ulko-Opet) oder in der riesigen, international tätigen Eventplattform ULOS-UT-OUT. Zusammen geht es eben doch besser - und einen gemeinsamen Nenner findet man auch immer und wenn es nur der ist, dass man Kinder herausbringen will in die Natur.

Aktivitäten außerhalb von Schule

Natürlich gibt es für finnische Schüler*innen auch nach der Schule die Möglichkeit, an Outdoor-Learning-Aktivitäten teilzunehmen, z. B. durch die Jugendorganisation 4H, die viele Projekte, nicht nur im Bereich Natur sondern auch Entrepreneurship und Berufsorientierung organisiert, dazu die Pfadfinder oder Youth Centres, die Jugendcamps anbieten.

© Clara Baumgartner